Bagger, Busse und Baustellen: Wie mein Sohn mir die Welt neu zeigt

Bagger, Busse und Baustellen: Wie mein Sohn mir die Welt neu zeigt

Früher war ein Bagger für mich einfach ein Bagger. Ein nützliches Gerät, das irgendwo rumstand und Dreck bewegte. Baustellen waren lästig, laut, nervig – vor allem, wenn sie den Arbeitsweg blockierten. Und Busse? Die fuhren eben. Nichts Besonderes.

Dann wurde ich Vater. Und plötzlich war nichts mehr wie vorher.

Mein Sohn liebt Bagger. Und Busse. Und Baustellen. Eigentlich alles, was gross, laut und orange ist. Wenn er einen Bagger sieht, bleibt er stehen, zeigt mit voller Begeisterung drauf und ruft: „BAGGA!“ als hätte er gerade ein Einhorn entdeckt. Und ich? Ich bleibe auch stehen. Nicht weil ich den Bagger spannend finde – sondern weil er ihn spannend findet.

Und genau da beginnt etwas Wunderschönes: Ich sehe die Welt wieder mit anderen Augen.

Plötzlich ist der Alltag nicht mehr nur ein Durchrennen von A nach B. Der Weg zum Supermarkt ist keine nervige Pflicht, sondern eine potenzielle Safari. Gibt es irgendwo eine Baustelle? Ein LKW? Ein Presslufthammer? Jackpot! Und auch wenn ich innerlich manchmal denke: „Wir müssen jetzt echt weiter“, bleibe ich stehen. Weil sein Staunen ansteckend ist.

Ich habe gelernt, dass es gar nicht viel braucht, um echte Begeisterung auszulösen. Ein blinkender Blinker. Ein hupender Bus. Ein Radlader, der rückwärts fährt. Für uns nichts Besonderes – für ihn pures Spektakel.

Und genau das hat mich verändert.

Ich hetze nicht mehr durch die Welt. Ich bleibe öfter stehen. Ich schaue, ich beobachte. Nicht weil ich es muss, sondern weil ich will. Weil mein Sohn mir beigebracht hat, wieder neugierig zu sein. Wieder zu staunen. Dinge nicht einfach nur zu sehen, sondern sie wirklich wahrzunehmen.

Natürlich ist nicht jeder Tag voller Magie. Manchmal bin ich müde, gestresst, habe keine Lust, zum fünften Mal am gleichen Bauzaun stehen zu bleiben. Aber wenn ich dann diesen Blick sehe – diese Freude, dieses Glänzen in den Augen – dann weiss ich: Genau darum geht’s.

Vatersein hat mich nicht nur achtsamer gemacht. Es hat mir beigebracht, dass die schönsten Momente oft nicht geplant sind. Sie passieren einfach. Zwischen Ampel und Zebrastreifen. Zwischen Betonmischer und Kipplaster.

Mein Sohn bringt mir bei, dass der Weg das Ziel ist. Und dass ein „BAGGA!!“ manchmal wichtiger ist als pünktlich beim Einkaufen zu sein.

Warum ich meinem Sohn den Bauernhof zeige, auf dem ich aufgewachsen bin

Warum ich meinem Sohn den Bauernhof zeige, auf dem ich aufgewachsen bin

Es gibt Orte, die dich für immer prägen. Für mich ist das der Bauernhof, auf dem ich aufgewachsen bin. Nicht irgendein Ort auf der Landkarte – sondern ein Stück Kindheit, ein Stück Identität, ein Platz voller Erinnerungen, Arbeit, Natur, Freiheit, Dreck, Tiere und Stille.

Heute lebt und arbeitet dort meine Schwester – sie führt den Hof Underraebe mit Herz, Schweiss und einem tiefen Verständnis für alles, was Landwirtschaft ausmacht. Und ich bin unendlich froh, dass dieser Ort weiterlebt – nicht nur in meiner Erinnerung, sondern auch ganz real.

Seit ich Vater bin, ist ein Wunsch in mir immer stärker geworden: Ich will meinem Sohn zeigen, wo ich herkomme. Nicht nur geografisch – sondern emotional. Ich will, dass er versteht, dass sein Papa nicht in einem Reihenhaus grossgeworden ist, sondern zwischen Hühnern, Kuhmist und frischer Kuhmilch. Ich will, dass er den Boden unter den Füssen spürt, nicht nur Gummi am Spielplatz.

Wenn wir heute den Hof besuchen, sehe ich in seinem Blick dieselbe Neugier, dieselbe Aufregung, die ich als Kind hatte. Traktoren sind für ihn natürlich das Grösste – keine Überraschung. Aber auch die kleinen Dinge faszinieren ihn: Das Füttern der Tiere, das Beobachten der Kühe und Pferde, das Klettern auf den Heuballen, das Pflücken eines Apfels direkt vom Baum.

Und ich merke, wie gut es ihm tut. Weg vom Bildschirm, weg vom Verkehrslärm, rein in die Natur. Es geht nicht darum, dass er „lernen“ soll, wie Landwirtschaft funktioniert. Es geht darum, dass er erlebt, was echte Arbeit bedeutet. Dass er sieht, wie viel Herzblut in jedem Liter Milch, in jedem Gemüse steckt. Und dass er versteht, dass nicht alles selbstverständlich ist.

Für mich ist es mehr als nur ein nostalgischer Ausflug. Es ist ein kleines Zurückgeben. An meine Wurzeln. An meine Familie. Und vielleicht auch ein Stück an mich selbst. Denn in dem Moment, in dem ich meinem Sohn den Stall zeige, in dem ich früher jeden Morgen Heu geschleppt habe, bin ich wieder ein bisschen Kind.

Ich glaube fest daran, dass solche Erlebnisse bleiben. Auch wenn er sich später nicht an jedes Detail erinnern wird – das Gefühl wird bleiben. Dass es Orte gibt, an denen alles langsamer läuft. An denen man mit den Händen arbeitet. Und an denen es völlig egal ist, ob man gerade saubere Kleider trägt.

Der Hof ist kein Museum, sondern gelebte Geschichte. Unsere Geschichte. Und ich bin dankbar, dass ich sie weitergeben darf – nicht als Heldengeschichte, sondern als das, was sie ist: echt, erdig, einfach.

Schlafmangel mit Kleinkind: Wie Väter trotzdem funktionieren

Schlafmangel mit Kleinkind: Wie Väter trotzdem funktionieren

Ich dachte immer, ich wüsste, was Müdigkeit ist. Ein paar durchgemachte Partynächte, lange Arbeitsphasen, mal ein Langstreckenflug – kein Problem. Aber dann wurde ich Vater. Und plötzlich verstand ich, was echter Schlafmangel ist.

Schlafmangel mit Kleinkind ist keine Phase, es ist ein Lebensgefühl. Es ist der ständige Zustand zwischen „gerade eingeschlafen“ und „schon wieder wach“. Es ist dieses neue Level an Müdigkeit, bei dem du nicht mehr weisst, ob du gerade träumst oder versuchst, eine Milchflasche im Halbschlaf zuzubereiten – mit einer Windel auf dem Kopf, weil du sie im Dunkeln für ein Spucktuch gehalten hast.

Am Anfang denkt man noch, das sei nur die ersten Wochen so. Die Babyzeit eben. Doch dann kommt das Kleinkindalter – und plötzlich schläft das Kind zwar im eigenen Bett, aber nur von 19 bis 22 Uhr. Danach beginnt die grosse Nachtwanderung. Erst ein bisschen Jammern, dann ein leiser Ruf aus dem Zimmer, gefolgt von tapsenden Schritten und einem kleinen Menschen, der sich wie ein Heizkissen quer auf dich legt.

Du wachst morgens auf und hast das Gefühl, in einer Tetris-Partie verloren zu haben – mit deinem eigenen Kind als Endgegner. Deine Schulter tut weh, dein Rücken knirscht, und du brauchst erst mal eine Minute, um zu realisieren, wo du eigentlich bist.

Was erstaunlich ist: Man funktioniert trotzdem. Irgendwie. Mit Kaffee, kaltem Wasser im Gesicht, und dieser mysteriösen Fähigkeit, mit drei Stunden Schlaf einen ganzen Tag zu überstehen. Man erledigt den Alltag, geht zur Arbeit, spielt mit dem Kind, und tut so, als sei alles ganz normal – während die Augenringe langsam ihren eigenen Schatten werfen.

Es ist ein Wunder, wie viele Eltern völlig übermüdet durch den Tag gehen, ohne dass es gross jemand merkt. Man wird effizienter, pragmatischer, manchmal auch einfach stumpf. Man vergisst, was man gerade sagen wollte, steht mitten im Raum und fragt sich, warum man überhaupt hergekommen ist. Klassiker.

Und doch – und das ist das Verrückte – macht man das alles freiwillig. Jeden Tag wieder. Nicht, weil man muss, sondern weil man will. Weil dieses kleine Wesen, das nachts so erbarmungslos deinen Schlaf raubt, tagsüber dein Herz füllt.

Trotzdem: Man darf müde sein. Man darf klagen. Und man darf sich verdammt nochmal wünschen, mal wieder acht Stunden am Stück zu schlafen. Ich kann mich nicht erinnern, wann ich das letzte Mal aufgewacht bin, ohne mindestens eine Unterbrechung in der Nacht gehabt zu haben.

Schlafmangel mit Kleinkind verändert dich. Du wirst minimalistischer. Du willst keine tiefgründigen Gespräche vor 10 Uhr. Du trinkst Kaffee nicht mehr zum Genuss, sondern aus Überlebenswillen. Und du entwickelst diese besondere Fähigkeit, mit einem halben Auge zu schlafen, während du parallel Spielzeugautos sortierst.

Aber es kommen auch wieder andere Zeiten. So sagen sie zumindest. Zeiten, in denen das Kind durchschläft. In denen man morgens aufwacht und sich fragt, ob irgendwas nicht stimmt, weil man nicht geweckt wurde. Ich glaube fest daran. Wirklich. Irgendwann.

Bis dahin? Kaffee. Humor. Und die stille Solidarität mit allen anderen Eltern, die mit müden Augen durch die Kita-Tür treten und nur nicken. Wir wissen Bescheid.

Mit Kleinkind das Haus verlassen: Warum jeder Ausflug eine kleine Weltreise ist

Mit Kleinkind das Haus verlassen: Warum jeder Ausflug eine kleine Weltreise ist

Es klingt so einfach. „Wir gehen gleich raus.“ Drei Wörter, gesprochen mit der festen Überzeugung, dass man das Haus bald verlassen wird. In deinem Kopf dauert das Ganze vielleicht fünf Minuten: Kind anziehen, Jacke schnappen, Schuhe an – und los geht’s.

Was du dabei nicht berücksichtigst: Du hast ein Kleinkind. Und ein Kleinkind lebt in einer völlig anderen Zeitzone.

Allein der Start kann sich ziehen. Du kündigst an, dass ihr gleich rausgeht – dein Kind schaut dich an, nickt vielleicht sogar. Du freust dich innerlich über diese Kooperation, öffnest voller Tatendrang den Kleiderschrank… und dann beginnt es. Dein Kind will nicht diese Hose. Auch nicht die andere. Es will die kurze Hose mit den Dinosauriern – im Februar. Und Socken sind heute offenbar illegal.

Du versuchst zu verhandeln. Erklärst, dass es draussen kalt ist. Dass man Socken braucht. Dass man ohne Hose nicht raus kann. Dein Kind hört dir zu – und zieht sich in genau diesem Moment das Oberteil wieder aus, das du ihm eben mühsam über den Kopf gezogen hast.

Während du innerlich bis zehn zählst, realisierst du: Du hast noch nicht mal die Schuhe erwähnt.

Irgendwann, nach gefühlt zwei diplomatischen Weltkrisen, steht das Kind endlich halbwegs angezogen da. Du atmest durch, öffnest die Haustür – und genau in dem Moment fällt ihm ein, dass es unbedingt noch seinen Bagger mitnehmen muss. Den, der irgendwo unter dem Sofa liegt. Oder im Kinderzimmer. Oder in einer anderen Dimension. Du suchst ihn, findest ihn, gibst ihn dem Kind – und es entscheidet sich um: „Doch lieber den Traktor.“

Du schaust auf die Uhr. Ursprünglich wolltet ihr „kurz nach neun“ los. Es ist inzwischen halb elf.

Aber du gibst nicht auf. Jetzt bloß nicht. Ihr habt’s fast geschafft. Du hast dein Kind endlich im Flur, ziehst dir selbst die Schuhe an, willst gerade die Tür hinter euch schliessen – da kommt der Satz: „Ich muss aufs Töpfchen.“

Natürlich.

Also wieder rein. Schuhe aus, Jacke aus, Windel oder Toilette, je nachdem. Danach nochmal alles von vorne. Und beim zweiten Versuch klappt’s. Fast. Bis zum Moment, in dem dein Kind sich auf dem Weg zum Auto in die Pfütze setzt. Mit voller Überzeugung.

Und du stehst da, mit der Tasche voller Snacks, Feuchttücher, Ersatzklamotten und der ernüchternden Erkenntnis: Das war der einfache Teil.

Denn unterwegs kann alles passieren. Hunger, Durst, Streit, Müdigkeit, Wutanfall über die falsche Trinkflasche, Panik, weil der Kuscheltier-Elefant im Auto vergessen wurde, der unbändige Wunsch, die Straße rückwärts zu überqueren – und natürlich der Klassiker: „Ich will heim.“

Und trotzdem machst du es wieder. Immer wieder.

Weil es trotz allem auch diese Momente gibt, in denen dein Kind quietschvergnügt durch den Park rennt. Oder dich mit großen Augen anschaut, wenn es etwas Neues entdeckt. Oder einfach nur deine Hand nimmt und sagt: „Komm, Papa.“

Dann denkst du kurz nicht mehr an die verlorenen Socken, den Pfützen-Sprung oder das dreißigminütige Anziehen. Dann ist alles gut.

Bis zum nächsten Mal. Wenn du wieder glaubst, dass „Wir gehen gleich raus“ ein realistisches Ziel ist.

Wenn Kinder alles nachmachen: Warum unser Verhalten ihre wichtigste Lektion ist

Wenn Kinder alles nachmachen: Warum unser Verhalten ihre wichtigste Lektion ist

Es beginnt mit einem Lächeln. Dein Kind plappert fröhlich drauflos, spielt mit seinem Spielzeug-Handy und sagt in genau deinem Tonfall: „Warte kurz, ich bin gleich soweit!“ Du lachst, findest es süss – und plötzlich dämmert dir: Moment mal. Das sag ich dauernd.

Ab diesem Moment sieht man die Welt mit anderen Augen. Oder besser gesagt: Man sieht sich selbst mit anderen Augen – gespiegelt in einem 21 Monate alten Mini-Menschen, der alles nachmacht. Und ich meine wirklich alles. Vom Augenrollen über „Hopp, hopp, zackig“ bis hin zu fluchähnlichen Lauten, bei denen man sich fragt, ob das jetzt eher „verdammt“ oder „verrückt“ war.

Kinder machen alles nach – das ist ihre Art zu lernen. Sie beobachten uns pausenlos. Nicht nur, was wir tun, sondern wie wir es tun. Unsere Worte, unsere Gesten, unsere Stimmung. Und irgendwann sieht man plötzlich, wie der eigene Nachwuchs mit einer Mischung aus Autorität und Nervosität ein Kuscheltier ausschimpft, weil es „schon wieder nicht aufgeräumt hat“.

Es ist faszinierend. Und ehrlich gesagt: auch ein bisschen erschreckend. Denn während wir früher dachten, dass Erziehung vor allem aus Regeln, Grenzen und klugen Erklärungen besteht, zeigt uns das Leben mit Kind eine viel simplere Wahrheit: Du bist das Vorbild. Immer.

Natürlich habe ich das vorher gewusst. Irgendwo. Aber es ist ein Unterschied, ob man etwas weiss – oder ob man es live erlebt, wenn der eigene Sohn beim Spielen plötzlich die exakt gleiche Körperhaltung einnimmt wie Papa auf der Couch, inklusive seufzendem „Boah, bin ich müde…“

Und dann gibt es da diese kleinen Sätze, die man achtlos vor sich hinsagt. „Warte kurz“, „Ich hab grad keine Zeit“, „Jetzt nicht“ – alles Dinge, die im Alltag oft einfach passieren. Aber wenn man sie zum ersten Mal vom eigenen Kind hört, mit der gleichen Tonlage und dem gleichen genervten Unterton, dann ist das wie ein kleiner Wake-up-Call. Nicht vorwurfsvoll, sondern ehrlich. Ungefiltert.

In genau diesen Momenten merke ich, wie viel wir unbewusst vermitteln. Wie schnell aus einem spontanen Satz ein Leitsatz wird. Wie aus einer schlechten Laune ein Vorbild für den Umgang mit Frust entstehen kann. Und wie wichtig es ist, nicht perfekt zu sein, aber bewusst.

Ich will meinem Kind nicht vorspielen, dass ich immer gut drauf bin. Oder dass ich nie Fehler mache. Aber ich will ihm zeigen, wie man damit umgeht. Dass man sich entschuldigen kann, wenn man zu laut war. Dass man lachen darf, wenn etwas schiefläuft. Und dass man auch mal sagen darf: „Ich war gerade gestresst. Das tut mir leid.“

Kinder machen alles nach – und das ist eigentlich eine riesige Chance. Denn wenn sie unser Verhalten kopieren, dann können sie auch lernen, wie man liebevoll mit anderen umgeht. Wie man zuhört. Wie man mitfühlt. Wie man mit Problemen umgeht, ohne gleich auszurasten (auch wenn’s manchmal schwerfällt).

Und ja, manchmal heisst das auch, sich selbst nicht zu ernst zu nehmen. Wenn mein Sohn mir beim Zähneputzen zuschaut und plötzlich anfängt, mit der Zahnbürste wild herumzufuchteln, weil er denkt, dass genau das „richtig“ ist – dann lache ich. Und putze halt nochmal gemeinsam mit ihm.

Ich habe inzwischen verstanden: Mein Kind braucht nicht den perfekten Papa. Es braucht einen echten Papa. Einen, der da ist. Der sich bemüht. Und der sich nicht scheut, von einem 21 Monate alten Spiegelbild des eigenen Ichs noch ein paar wichtige Lektionen zu lernen.

Bildschirmzeit bei Kindern: Wie viel ist okay – und was Papa heimlich selbst guckt

Bildschirmzeit bei Kindern: Wie viel ist okay – und was Papa heimlich selbst guckt

Es ist eine der grossen Fragen der modernen Elternschaft: Wie viel Bildschirmzeit ist zu viel? Und noch viel ehrlicher: Wie viel Bildschirmzeit ist bei uns selbst eigentlich los?

Früher war alles einfacher. Kinder schauten „Sendung mit der Maus“ am Sonntagmorgen, und das war’s dann auch. Heute? Heute gibt es Paw Patrol, Peppa Wutz, YouTube Kids, Netflix, Disney+, ein Tablet hier, ein Smartphone da – und plötzlich fragt man sich: Sehe ich mein Kind oder sehe ich einen kleinen Serienjunkie im Pyjama?

Bei uns zu Hause ist es ganz ähnlich wie in vielen anderen Familien auch. Wir versuchen, die Bildschirmzeit unseres Kleinen im Rahmen zu halten. Es gibt feste Regeln, klare Zeiten, möglichst viel „echtes Spiel“ ohne Bildschirm. Das klappt… so semi. Denn die Wahrheit ist: Eltern leben nicht in einem Hochglanz-Ratgeber, sondern in einem Alltag, der manchmal einfach nach praktischen Lösungen verlangt.

Wenn das Kind krank ist und nur kuscheln will? Bildschirm.
Wenn man kochen muss und der Turm aus Duplosteinen zum zehnten Mal eingestürzt ist? Bildschirm.
Wenn man einfach mal zehn Minuten die Gedanken sortieren will? Jep. Bildschirm.

Und während man seinem Kind liebevoll erklärt, dass eine Folge reicht, ertappt man sich selbst dabei, wie man in der Pause Insta durchscrollt, eine YouTube-Review über den 27. Akkuschrauber schaut oder die Netflix-Serie weiterschaut, bei der man eigentlich schon längst eingeschlafen ist.

Das grosse Paradoxon ist: Wir wollen unsere Kinder vor zu viel Bildschirm schützen, sind aber selbst ständig davor. Klar, wir „arbeiten“ am Handy, „checken nur kurz etwas“, „lesen was Wichtiges“ – aber am Ende gucken wir genauso oft einfach nur aufs Display, weil es eben da ist. Und manchmal, ganz ehrlich: weil es einfach kurz gut tut.

Natürlich wissen wir, dass zu viel Bildschirmzeit für Kinder nicht ideal ist. Es geht um Entwicklung, Konzentration, Fantasie, Bewegung. Und natürlich ist es gut und richtig, sich damit auseinanderzusetzen. Aber gleichzeitig braucht es auch etwas: Nachsicht. Mit unseren Kindern – und mit uns selbst.

Denn Bildschirmzeit ist nicht automatisch schlecht. Sie wird nur dann zum Problem, wenn sie zum Standard wird. Wenn sie keine Ausnahme, sondern Alltag ist. Wenn wir verlernen, gemeinsam zu spielen, zu reden, rauszugehen. Und genau deshalb geht’s nicht darum, alles strikt zu verbieten – sondern bewusst zu steuern.

Was bei uns hilft:
Wir schauen gemeinsam. Keine ewige Dauerbeschallung nebenbei, sondern gemeinsam lachen, kommentieren, ausschalten. Danach was bauen, malen, rausgehen. Und ja – wir sind selbst achtsamer geworden. Das Handy liegt öfter mal im anderen Raum. Einfach, um zu zeigen: Ich bin hier – nicht bei Instagram.

Es geht nicht um Perfektion. Es geht darum, dass Kinder sehen: Papa kann sich konzentrieren. Papa hört zu. Papa ist nicht immer mit einem Gerät in der Hand unterwegs.

Und doch ertappe ich mich immer wieder dabei, wie ich heimlich eine neue Serie anfange, wenn der Kleine schläft. Oder wie ich mir eine Pause gönne und auf YouTube versacke. Und das ist auch okay. Ich bin kein Bildschirm-Heiliger – ich bin Vater. Und manchmal braucht man eben auch mal etwas Ablenkung.

Also ja – Bildschirmzeit bei Kindern ist ein Thema. Aber der wichtigste Bildschirm, den sie täglich sehen, ist nicht der Fernseher. Es ist unser Verhalten. Wenn wir das halbwegs im Griff haben, dann ist schon verdammt viel gewonnen.