Es beginnt mit einem Lächeln. Dein Kind plappert fröhlich drauflos, spielt mit seinem Spielzeug-Handy und sagt in genau deinem Tonfall: „Warte kurz, ich bin gleich soweit!“ Du lachst, findest es süss – und plötzlich dämmert dir: Moment mal. Das sag ich dauernd.
Ab diesem Moment sieht man die Welt mit anderen Augen. Oder besser gesagt: Man sieht sich selbst mit anderen Augen – gespiegelt in einem 21 Monate alten Mini-Menschen, der alles nachmacht. Und ich meine wirklich alles. Vom Augenrollen über „Hopp, hopp, zackig“ bis hin zu fluchähnlichen Lauten, bei denen man sich fragt, ob das jetzt eher „verdammt“ oder „verrückt“ war.
Kinder machen alles nach – das ist ihre Art zu lernen. Sie beobachten uns pausenlos. Nicht nur, was wir tun, sondern wie wir es tun. Unsere Worte, unsere Gesten, unsere Stimmung. Und irgendwann sieht man plötzlich, wie der eigene Nachwuchs mit einer Mischung aus Autorität und Nervosität ein Kuscheltier ausschimpft, weil es „schon wieder nicht aufgeräumt hat“.
Es ist faszinierend. Und ehrlich gesagt: auch ein bisschen erschreckend. Denn während wir früher dachten, dass Erziehung vor allem aus Regeln, Grenzen und klugen Erklärungen besteht, zeigt uns das Leben mit Kind eine viel simplere Wahrheit: Du bist das Vorbild. Immer.
Natürlich habe ich das vorher gewusst. Irgendwo. Aber es ist ein Unterschied, ob man etwas weiss – oder ob man es live erlebt, wenn der eigene Sohn beim Spielen plötzlich die exakt gleiche Körperhaltung einnimmt wie Papa auf der Couch, inklusive seufzendem „Boah, bin ich müde…“
Und dann gibt es da diese kleinen Sätze, die man achtlos vor sich hinsagt. „Warte kurz“, „Ich hab grad keine Zeit“, „Jetzt nicht“ – alles Dinge, die im Alltag oft einfach passieren. Aber wenn man sie zum ersten Mal vom eigenen Kind hört, mit der gleichen Tonlage und dem gleichen genervten Unterton, dann ist das wie ein kleiner Wake-up-Call. Nicht vorwurfsvoll, sondern ehrlich. Ungefiltert.
In genau diesen Momenten merke ich, wie viel wir unbewusst vermitteln. Wie schnell aus einem spontanen Satz ein Leitsatz wird. Wie aus einer schlechten Laune ein Vorbild für den Umgang mit Frust entstehen kann. Und wie wichtig es ist, nicht perfekt zu sein, aber bewusst.
Ich will meinem Kind nicht vorspielen, dass ich immer gut drauf bin. Oder dass ich nie Fehler mache. Aber ich will ihm zeigen, wie man damit umgeht. Dass man sich entschuldigen kann, wenn man zu laut war. Dass man lachen darf, wenn etwas schiefläuft. Und dass man auch mal sagen darf: „Ich war gerade gestresst. Das tut mir leid.“
Kinder machen alles nach – und das ist eigentlich eine riesige Chance. Denn wenn sie unser Verhalten kopieren, dann können sie auch lernen, wie man liebevoll mit anderen umgeht. Wie man zuhört. Wie man mitfühlt. Wie man mit Problemen umgeht, ohne gleich auszurasten (auch wenn’s manchmal schwerfällt).
Und ja, manchmal heisst das auch, sich selbst nicht zu ernst zu nehmen. Wenn mein Sohn mir beim Zähneputzen zuschaut und plötzlich anfängt, mit der Zahnbürste wild herumzufuchteln, weil er denkt, dass genau das „richtig“ ist – dann lache ich. Und putze halt nochmal gemeinsam mit ihm.
Ich habe inzwischen verstanden: Mein Kind braucht nicht den perfekten Papa. Es braucht einen echten Papa. Einen, der da ist. Der sich bemüht. Und der sich nicht scheut, von einem 21 Monate alten Spiegelbild des eigenen Ichs noch ein paar wichtige Lektionen zu lernen.
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